„Die Medien erzählen uns sowieso nur das, was die da oben wollen.“ Dieser weit verbreitete Stammtischspruch bringt auf den Punkt, was viele Bürger heute denken. Aber wie genau schätzt die Bevölkerung die Leistungen der Medien ein? Diese Frage untersucht Nayla Fawzi in ihrer Studie „Objektive Informationsquelle, Watchdog und Sprachrohr der Bürger?“ und liefert interessante Einblicke.
Problemstellung
Die Medien sehen sich in der heutigen Zeit einer intensiven öffentlichen Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf der „Lügenpresse“, die Infragestellung der journalistischen Autonomie und die Breite des Meinungsspektrums in der Berichterstattung sind nur einige der Kritikpunkte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern die Medien aus der Sicht des Publikums ihre erwarteten Leistungen tatsächlich erfüllen.
Relevanz
Die Relevanz der Untersuchung liegt darin, dass die öffentlichen Erwartungen an die Medien und deren Wahrnehmung durch die Bürger einen erheblichen Einfluss auf das Vertrauen in die Medien haben. Ein geringes Vertrauen kann zu einer Abwendung von etablierten Medien hin zu alternativen, oft polarisierten Informationsquellen führen, was die gesellschaftliche Kohäsion gefährden kann.
Annahmen
Die Untersuchung geht von der Annahme aus, dass das Vertrauen in die Medien und die Zufriedenheit mit deren Leistungen stark von politischen und medienbezogenen Voreinstellungen der Bürger beeinflusst werden. Wichtige Einflussfaktoren sind dabei politisches Interesse, Demokratiezufriedenheit, Politikvertrauen sowie die selektive Mediennutzung und die Wahrnehmung der Medien als feindlich gegenüber den eigenen politischen Einstellungen.
Methodik
Für die Untersuchung führte Nayla Fawzi eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durch, bei der 1005 Personen in Deutschland telefonisch befragt wurden. Die Befragung erfolgte nach dem Dual-Frame-Ansatz (Festnetz und Mobilfunk) und umfasste Fragen zur Bewertung der Medienleistungen in verschiedenen Funktionen sowie zu politischen und medienbezogenen Einstellungen der Befragten.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass die Medien ihre Rolle als kritischer Beobachter (Watchdog) und Informationsquelle aus Sicht der Bürger relativ gut erfüllen. 54% der Befragten sind der Meinung, dass die Medien politische Missstände und Skandale aufdecken. Auch die Meinungsbildungsfunktion wird von 51% der Befragten als gut erfüllt bewertet. Weniger zufrieden sind die Bürger mit den Integrations-, Artikulations- und Orientierungsleistungen der Medien. Nur 28% finden, dass die Medien die Interessen von benachteiligten Gruppen ausreichend berücksichtigen. Interessanterweise äußerten sich 61% der Befragten insgesamt zufrieden mit der demokratischen Leistung der Medien.
Ausblick
Die Studie legt nahe, dass zukünftig besonders die Bevölkerungsgruppen genauer untersucht werden sollten, die unzufrieden mit den Medienleistungen sind. Wenn Bürger das Gefühl haben, nicht objektiv informiert zu werden oder sich durch die Medien nicht repräsentiert fühlen, kann dies negative Auswirkungen auf die politische Teilhabe und den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben. Es besteht die Gefahr, dass diese Gruppen sich zunehmend von etablierten Medien abwenden und zu alternativen Informationsquellen greifen, was die gesellschaftliche Polarisierung verstärken könnte. Medien sollten daher ihre Integrations- und Orientierungsleistungen verbessern, um das Vertrauen der Bürger zu stärken und ihrer Rolle in der Demokratie gerecht zu werden.
Quelle: Fawzi, N. (2020). Objektive Informationsquelle, Watchdog und Sprachrohr der Bürger? Die Bewertung der gesellschaftlichen Leistungen von Medien durch die Bevölkerung. Publizistik, 65(187–207). doi:10.1007/s11616-020-00572-w