„Selbstbewusste Bürger sind die besten Demokraten“ – oder vielleicht doch nicht? Carey E. Stapleton und Jennifer Wolak zeigen in ihrer aktuellen Studie, dass politisches Selbstvertrauen auch eine dunkle Seite haben kann.
Problemstellung
Carey E. Stapleton und Jennifer Wolak von den Universitäten Massachusetts Amherst und Michigan State untersuchen in ihrer Studie, warum einige Menschen stärkere Feindseligkeiten gegenüber der gegnerischen politischen Partei empfinden als andere. Sie gehen der Frage nach, wie *individuelles politisches Selbstbewusstsein zur affektiven Polarisierung beiträgt, also zur emotionalen Ablehnung der politischen Gegenseite.
*individuelles politisches Selbstbewusstsein: gefestigte politische Einstellung
Relevanz
In einer zunehmend polarisierten politischen Landschaft ist es wichtig zu verstehen, welche Faktoren diese Spaltung verstärken. Die Autoren argumentieren, dass das Gefühl der eigenen politischen Kompetenz – auch als interne politische Effizienz bekannt – eine Schlüsselrolle spielt. Diese Studie liefert wertvolle Einblicke in die Mechanismen, die hinter der Feindseligkeit zwischen den Parteien stehen, und hat damit weitreichende Bedeutung für die politische Kultur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Annahmen
Stapleton und Wolak gehen davon aus, dass (a) Menschen mit höherem politischem Selbstbewusstsein auch stärker zu affektiver Polarisierung neigen und (b) dass diese Personen nicht nur ihre politischen Überzeugungen selbstbewusster vertreten, sondern auch intoleranter gegenüber andersdenkenden sind. Dieses Verhalten könnte sich in der Bereitschaft zeigen, soziale Bindungen zu kappen und Diskriminierung gegenüber politischen Gegnern zu tolerieren.
Methode
Die Autoren nutzten Daten aus der 2020 Cooperative Election Study, einer umfassenden Umfrage in den USA. Sie analysierten die Antworten von 1.000 Teilnehmern und konzentrierten sich auf zwei Hauptbereiche: die affektive Polarisierung, gemessen an der emotionalen Einstellung gegenüber den politischen Parteien, und die Toleranz gegenüber diskriminierendem Verhalten aufgrund politischer Zugehörigkeit. Zusätzlich führten sie ein Experiment durch, um die Reaktionen auf parteibezogene Diskriminierung zu untersuchen.
Ergebnisse
Die Studie zeigt deutlich, dass ein höheres Maß an internem politischem Selbstbewusstsein mit einer stärkeren affektiven Polarisierung einhergeht. Personen, die sich ihrer politischen Fähigkeiten sicher sind, neigen eher dazu, soziale Kontakte zu kappen, wenn politische Meinungsverschiedenheiten bestehen, und sind toleranter gegenüber diskriminierendem Verhalten gegen Mitglieder der gegnerischen Partei. Interessanterweise zeigt sich, dass diese Personen nicht unbedingt positiver gegenüber der eigenen Partei eingestellt sind, sondern vor allem negativer gegenüber der Gegenseite.
Das Experiment bestätigte, dass Menschen mit höherem politischem Selbstbewusstsein eine größere Akzeptanz für Diskriminierung von Oppositionsmitgliedern zeigen. Teilnehmer mit hoher interner Effizienz empfanden es als akzeptabler, einen Bewerber wegen seiner politischen Zugehörigkeit abzulehnen, als solche mit gefestigter politischer Einstellung.
Ausblick
Stapleton und Wolak betonen, dass politisches Selbstbewusstsein nicht nur positive Auswirkungen hat, sondern auch zur politischen Spaltung beitragen kann. Sie empfehlen, diese Erkenntnisse bei der Förderung politischer Bildung zu berücksichtigen. Es sei wichtig, nicht nur das politische Wissen und Engagement zu stärken, sondern auch die Toleranz und den Respekt gegenüber Andersdenkenden zu fördern. Zukünftige Forschungen könnten untersuchen, wie Bildungsprogramme gestaltet werden können, um diese Balance zu erreichen.
Die Ergebnisse der Studie werfen ein neues Licht auf die Dynamik politischer Selbstsicherheit und Polarisierung. Indem wir verstehen, wie politisches Selbstbewusstsein zur Feindseligkeit beitragen kann, können wir Strategien entwickeln, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und die politische Kultur zu verbessern.
Quelle: Stapleton, C. E., & Wolak, J. (2024). Political Self-Confidence and Affective Polarization. Public Opinion Quarterly. doi:10.1093/poq/nfad064