Problemstellung
Die weltweite Corona-Pandemie hat nicht nur gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen, sondern beeinflusst auch die gesellschaftliche Wahrnehmung und das Vertrauen in Institutionen. Marilena Choli und Daria J. Kuss vom Cyberpsychology Research Group der Nottingham Trent University untersuchten in ihrer Studie die Schuldzuweisungen in sozialen Medien während der frühen Phasen der Pandemie. Dabei analysierten sie Twitter-Daten, um die Hauptakteure und Themen der Schuldzuweisungen zu identifizieren.
Relevanz
Schuldzuweisungen können das Verhalten und die Einstellung der Menschen erheblich beeinflussen, insbesondere in Krisenzeiten. Das Verständnis dieser Dynamiken ist entscheidend, um effektive Kommunikationsstrategien zu entwickeln und das Vertrauen in wichtige Institutionen zu stärken. Die Untersuchung von Choli und Kuss bietet wertvolle Einblicke in die gesellschaftlichen Mechanismen der Schuldzuweisung und deren potenzielle Auswirkungen auf die Pandemiebekämpfung.
Annahmen
Die Forscher gingen davon aus, dass die Schuldzuweisungen auf Twitter sowohl die Ursprünge als auch die Ausbreitung des Virus betreffen würden. Sie erwarteten, dass nationale Regierungen und politische Führer häufige Ziele von Schuldzuweisungen sein würden und dass Verschwörungstheorien eine bedeutende Rolle spielen könnten.
Methode
Die Studie nutzte die Daten von Twitter, um öffentliche Äußerungen zu Schuldzuweisungen während der frühen Phase der Corona-Pandemie zu analysieren. Mithilfe von thematischer Analyse wurden Tweets von Januar bis März 2020 untersucht. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Identifikation und Kategorisierung von Schuldzuweisungen gelegt.
Ergebnisse
Die Analyse ergab, dass nationale Regierungen am häufigsten für die Pandemie verantwortlich gemacht wurden, im Ranking von Häufigkeiten folgten Verschwörungstheorien und Blaming (Schuldzuweisungen) an bestimmte soziale Gruppen. Besonders auffällig war die häufige Schuldzuweisung an die Regierungen der USA und Chinas. Während die USA für ein vermeintlich ineffizientes Gesundheitssystem kritisiert wurden, warfen viele Nutzer der chinesischen Regierung vor, Informationen zensiert und somit die Ausbreitung des Virus begünstigt zu haben.
Verschwörungstheorien spielten ebenfalls eine zentrale Rolle. Viele Tweets deuteten darauf hin, dass das Virus entweder als biologischer Kampfstoff entwickelt oder absichtlich verbreitet worden sei. Einige Nutzer machten auch 5G-Technologien für die Pandemie verantwortlich.
Medien wurden für die Verbreitung von „Fake News“ und Panikmache verantwortlich gemacht. Eine Reihe von Nutzern äußerte, dass die Berichterstattung über COVID-19 übertrieben und irreführend sei. Zudem wurden bestimmte soziale Gruppen, vor allem Menschen chinesischer Herkunft, beschuldigt, das Virus absichtlich zu verbreiten.
Ausblick
Die Studie von Choli und Kuss zeigt, wie wichtig es ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in Regierungen und Gesundheitsinstitutionen zu stärken. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine transparente und kontinuierliche Kommunikation entscheidend ist, um die Verbreitung von Verschwörungstheorien zu verhindern und die Einhaltung von Gesundheitsmaßnahmen zu fördern. Für zukünftige Krisen sollten Kommunikationsstrategien entwickelt werden, die auf den Erkenntnissen solcher Untersuchungen basieren, um eine konstruktive öffentliche Diskussion zu fördern und das Vertrauen in wichtige Institutionen zu erhalten.
Quelle: Choli, M., & Kuss, D. J. (2021). Perceptions of blame on social media during the coronavirus pandemic. Computers in Human Behavior, 124, 106895. https://doi.org/10.1016/j.chb.2021.106895