„Twitter ist ein wahres Minenfeld an Schuldzuweisungen. Aber warum werden manche Tweets kritischer wahrgenommen als andere?“
Das Team um Sten Hansson hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie verschiedene Strategien des Blaming (Beschuldigen) auf Social Media die Wahrnehmung und Retweetbarkeit von Tweets beeinflussen. Dabei beleuchten sie, wie die Wortwahl Struktur von Anschuldigungen die Art und Weise verändert, wie diese Nachrichten von den Nutzern wahrgenommen und verbreitet werden.
Problemstellung
In der digitalen Ära sind Social Media Plattformen wie Twitter zu zentralen Arenen für öffentliche Debatten und Schuldzuweisungen geworden. Tweets, die politische Akteure beschuldigen, können weitreichende Konsequenzen haben, indem sie öffentliche Meinungen formen und verbreiten. Doch welche sprachlichen Merkmale machen einen Tweet besonders kritisch und verbreitungswürdig?
Relevanz
Verstehen, wie Schuldzuweisungen in sozialen Netzwerken wirken, ist nicht nur für Kommunikationswissenschaftler, sondern auch für politische Akteure und PR-Strategen von großer Bedeutung. Es hilft zu verstehen, wie Nachrichten gestaltet werden sollten, um maximale Wirkung zu erzielen, und wie negative Kampagnen besser gemanagt werden können.
Annahmen
Hansson und sein Team stellten die Hypothese auf, dass die Art des Blamings (Fokus auf Verhalten, Charakter oder Ergebnis) und die Grundlage des Blamings (*Veracity vs. Capacity) wesentliche Faktoren sind, die beeinflussen, wie kritisch und retweetbar ein Tweet wahrgenommen wird.
*Anmerkung der Redaktion
- Veracity, übersetzt als „Wahrhaftigkeit“ oder „Richtigkeit“, bezieht sich auf Schuldzuweisungen, die die Integrität und Ehrlichkeit einer Person in Frage stellen. Dies umfasst Anschuldigungen, die jemanden als Lügner darstellen oder auf gebrochene Versprechen hinweisen. Laut den Autoren wird Veracity-basierte Schuldzuweisung oft als kritischer wahrgenommen, weil sie die moralische Integrität einer Person direkt angreift. Beispielsweise wird jemand, der der Lüge beschuldigt wird, als weniger vertrauenswürdig angesehen, was stärker und negativer bewertet wird als Anschuldigungen, die sich auf die Kompetenz oder das Verhalten beziehen (siehe Capacity).
- Capacity, übersetzt als „Fähigkeit“ oder „Kompetenz“, bezieht sich hingegen auf Schuldzuweisungen, die die Fähigkeiten oder die Effizienz einer Person in Frage stellen. Hierbei geht es darum, ob jemand in der Lage ist, seine Aufgaben oder Pflichten effektiv zu erfüllen. Diese Art der Schuldzuweisung zielt darauf ab, eine Person als unfähig oder inkompetent darzustellen, ohne jedoch direkt ihre moralische Integrität anzugreifen.
Methode
In zwei Studien wurden den Teilnehmern verschiedene Tweets präsentiert, die fiktive Regierungsbeamte beschuldigten. In der ersten Studie sollten die Teilnehmer die Tweets nach ihrer Kritikwürdigkeit und Retweetbarkeit sortieren. In der zweiten Studie wurden die Tweets einzeln bewertet. Dabei wurden sowohl die kritischen Wahrnehmungen als auch die Retweet-Absichten der Teilnehmer erfasst.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass Tweets, die den Charakter einer Person angreifen, als am kritischsten wahrgenommen werden, aber auch am wenigsten retweetbar sind. Tweets, die das Verhalten oder die Ergebnisse einer Person kritisieren, werden als weniger kritisch, und entsprechend retweetbarer eingestuft. Es stellte sich auch heraus, dass die Grundlage des Blamings (Veracity vs. Capacity) die Wahrnehmung und Retweetbarkeit beeinflusst, jedoch in Abhängigkeit vom Fokus des Blamings. Beispielsweise wurde Blaming auf Basis von Veracity als kritischer wahrgenommen, wenn es sich auf Verhalten konzentrierte.
Ausblick
Diese Studien liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie Blaming-Strategien in sozialen Medien wirken und welche sprachlichen Merkmale die Verbreitung von Nachrichten fördern. Weitere Forschung könnte untersuchen, wie diese Mechanismen in anderen kulturellen Kontexten und Sprachen funktionieren. Zudem könnten zukünftige Studien andere Arten von negativen Bewertungen oder unterschiedliche Szenarien des Blamings einbeziehen, um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu überprüfen.
Quelle: Hansson, S., Page, R., Fuoli, M., & Kröger, S. (2024). Strategies of Blaming on Social Media: An Experimental Study. Communication Research, 51(5), 470-491.